
Im Interview mit DVZ-Geschäftsführer Hubert Ludwig und Falk Friese, DVZ-Leiter der Stabsstelle Enterprise Architekturmanagement
DVZ.info: Verfolgt man die Umsetzung der Deutschen Verwaltungscloud und damit verbunden die der Deutschen Verwaltungscloud-Strategie, ist die ungewohnte Einigkeit zwischen den Bundesländern augenfällig. Warum hat es so lange gedauert, einen bundeseinheitlichen Lösungsansatz zu finden?
Hubert Ludwig: Der Handlungsdruck ist einfach zu groß geworden, nachdem das 2016 ausgehandelte EU-U.S. Privacy Shield keinen Bestand mehr hatte. Stattdessen war der Schutz personenbezogener Daten beim Datentransfer in die USA nicht mehr garantiert. Die Verwaltung musste sich also der Frage stellen, was mit den sensiblen Daten passiert, wenn diese in der Cloud gespeichert werden sollen. Dazu dient die Deutsche Verwaltungscloud massiv der Standardisierung. Denn technologisch sind viele neue Geschäftsmodelle entstanden, denen die deutsche Verwaltung nicht mehr Rechnung getragen hat und das im Moment auch nicht kann. Das bestärkt die Einigkeit, da länderübergreifend erkannt wurde, dass dringend Handlungsbedarf besteht, um für den Markt attraktiv zu bleiben.
Falk Friese: Das ist richtig. Technisch führt an der Cloud kein Weg mehr vorbei, wenn die Verwaltung flexibel, leistungsfähig und kostenorientiert arbeiten will. Wir überspringen quasi die letzten zehn Jahre. Das Problem ist, dass bereits eingesetzte cloudbasierte Anwendungen keine gemeinsamen Standards oder Architekturvorgaben haben. Die eingesetzte Technik und Software passen nicht zusammen, was eine flächendeckende Nutzung über Bundesländergrenzen hinweg erschwert. Dadurch werden gesetzlich vorgeschriebene Großvorhaben wie z. B. das Onlinezugangsgesetz ausgebremst. Das kann sich die deutsche Verwaltung nicht mehr leisten.
Trotzdem führt kein Weg an den Hyperscalern vorbei. Wie soll sich die Zusammenarbeit gestalten?
F. Friese: Der Fokus liegt auf der Durchgängigkeit. Wir wollen eine Multi-Cloud-Umgebung aufbauen, in der IT-Dienstleister ihre Ressourcen einstellen. Hier wird es auch spezielle IT-Dienstleister geben, die in der Lage sind, Public-Cloud-Anbieter bzw. Hyperscaler zu integrieren. Diese wirken dann quasi im Auftrag, so wie heute schon im Rechenzentrumskontext. Wichtig ist aber, dass überhaupt die Möglichkeit gegeben ist, zwischen den Angeboten der – wie wir es nennen – Cloud-Integratoren zu wechseln. Das Verhältnis zueinander muss ausgewogen und flexibel sein.
H. Ludwig: Die Hyperscaler sind nicht zu ersetzen, wenn wir mit der Innovation Schritt halten wollen, denn sie entwickeln ihre technischen Lösungen mit einem Milliarden-Budget. Das kann die öffentliche Hand nicht leisten. Das Ziel der Deutschen Verwaltungscloud-Strategie ist es deshalb, dass Cloud-Integratoren Services rechts- und datenschutzkonform bauen. Und dafür brauchen wir verbindliche, einheitliche Regeln und Standards.
Mit Blick auf das erste Proof of Concept: Welcher Stand der Umsetzung ist derzeit erreicht?
H. Ludwig: Wichtig war, dass mit dem Proof of Concept und dem Strategiepapier – neben der Klärung der Rechtsfragen – auch technologisch eine einheitliche Sicht auf Begrifflichkeiten und Problemfelder geschaffen wurde und dass alle Beteiligten, egal ob Bund, Land oder Kommune, hinter den bereits entwickelten Vorgehensmodellen stehen. Und das zu einhundert Prozent. Hier leisten die AG Cloud sowie die Unterarbeitsgruppen außerordentlich gute Arbeit.
F. Friese: Das erste Proof of Concept ist erfolgreich abgeschlossen und die ersten Testanwendungen befinden sich seit Juni 2021 in der Erprobung. Festgelegte technische Standards wurden geprüft und für praktikabel befunden. Auch Grundzüge für den einheitlichen Betrieb von Containerlösungen haben wir nachgewiesen. Wir stellen fest, dass das europaweite Interesse groß ist. Für uns gibt es keine Landesgrenzen. So werden z. B. technische Modelle gemeinsam mit dem Bundesrechenzentrum in Österreich getestet. Durch den Austausch von Know-how entsteht ein ungeheurer Wissenstransfer und ein neues Zusammenarbeitsmodell zwischen den teilnehmenden Datenzentralen.
In welche Richtung wird sich das DVZ-Geschäftsmodell ändern?
H. Ludwig: Unsere Kund*innen werden auch zukünftig Lösungen und Produkte bei uns anfragen. Nur schauen wir als IT-Dienstleister dann, welche Angebote im Cloud-Service-Portal vorhanden sind. Wir erstellen also nicht mehr alles in Eigenleistung, sondern wir beraten unsere Kundinnen und Kunden, kaufen intelligent für sie ein, stellen die Lösungen dann passgenau zur Verfügung und steuern den Service bzw. die Qualität. Denn die zunächst noch unveredelten Services müssen einsatzfähig gemacht werden. Hier braucht es die Unterstützung eines IT-Dienstleisters.
F. Friese: Wir haben für die Deutsche Verwaltungscloud ein Rollenmodell etabliert. In diesem sind den IT-Dienstleistern der öffentlichen Verwaltung die Rollen Plattform- und Softwarebetreiber zugeordnet. Als Plattformbetreiber bin ich austauschbar. Aber als Softwarebetreiber etabliere ich mich als Dienstleister und Berater als ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Endkunden und der Vielzahl von Anbietern im Cloud-Service-Portal. Kurz ergänzen möchte ich dazu noch die Rolle des Softwarelieferanten. Um gute Angebote von soliden mittelgroßen bis großen Firmen zu erhalten, wird sich die öffentliche Verwaltung attraktiver auf dem Markt aufstellen müssen.
H. Ludwig: Wichtig ist, dass vor allem die Verwaltung die erarbeiteten Modelle akzeptiert und die Umsetzung für die eigene Organisation annimmt, um eine Modernisierung zuzulassen. Aber in der Zusammenarbeit im Rahmen der AG Cloud ist die Ausgewogenheit und der gemeinsame Konsens zwischen den Verwaltungsinteressen und denen der IT-Dienstleister deutlich zu spüren.
Vielen Dank für das Gespräch.